Aufgaben und Einsatz von Betriebsärzten und Fachkräften für ArbeitssicherheitMitgestalten – Mitbestimmen

Seit Anfang 2011 ist die Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 2 »Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit« in Kraft. Deren Umsetzung in den betrieblichen Alltag steht im Mittelpunkt dieses Informationsblattes. Die hier getroffenen Umsetzungsvorschläge beziehen sich ausschließlich auf die Re- gelungen für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten. Erläuterungen zu Einzelheiten der DGUV Vorschrift 2 finden sich hier dagegen nicht. Als Hintergrundinformationen empfehlen wir dazu unsere beiden Informationsblätter »DGUV Vorschrift 2: Neue Regelung zum Einsatz von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit« und »Arbeitsschutzorganisation im Betrieb«, zu finden auf der Website der Beratungsstelle unter www.arbeitundgesundheit.de/veroeffentlichungen/index.html.

Mit dieser zusätzlichen Information sollen den Interessenvertretungen praxiserprobte Hilfestellungen und Tipps gegeben werden, um die Vorschrift 2 zugunsten der Beschäftigten umzusetzen.

Die DGUV Vorschrift 2 hat einiges an Neuerungen gebracht. Insbesondere die Struktur der Betreuung sowie die Berechnung der Einsatzzeiten wurden neu geregelt. Dies bietet der Interessenvertretung die Möglichkeit, im Rahmen der Mitbestimmung die Ausgestaltung der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung mit dem Arbeitgeber neu zu verhandeln und dabei Schwerpunktthemen in der Betreuung festzulegen.

Allerdings war – und ist – die betriebliche Praxis davon geprägt, dass Interessenvertretungen häufig nicht die Wichtigkeit erkennen, den Arbeitsschutz auch auf diese Weise zu gestalten. Arbeitgeber wiederum sind oft vor allem an der Erfüllung ihrer Verpflichtung interessiert, Betriebsärzte und Fachkräfte zu bestellen, sie halten sich daher bei der inhaltlichen Gestaltung der Aufgabenerledigung ebenfalls sehr zurück, nicht zuletzt auch um Kosten gering zu halten. Als Konsequenz haben vor allem Betriebsärzte, aber häufig auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit, zum Teil keine klare Orientierung, welche ihrer vielfältigen Aufgaben für den Betrieb besonders wichtig sind. Unter anderem führt das dazu, dass Betriebsärzte sich vorwiegend mit arbeitsmedizinischen Untersuchungen und Fachkräfte hauptsächlich mit Unfallthemen und dem technischen Arbeitsschutz beschäftigen. Dagegen bleiben Themen wie beispielsweise Gestaltung von Arbeitsplätzen und von Arbeitszeit (Schichtarbeit, Pausen) häufig auf der Strecke.

Rechtlicher Rahmen in Kurzform
In der DGUV Vorschrift 2 werden die Aufgabenkataloge für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit nach dem Arbeitssicherheitsgesetz §§ 3 und 6 konkretisiert (Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit – ASiG).

Basis ist die Vorgabe des ASiG, dass beide Experten eine ausschließlich beratende Funktion haben. Sollen sie zusätzliche Aufgaben übernehmen, die nicht durch die Aufgabenkataloge abgedeckt sind, so müssen die erforderlichen Zeiten hierfür zusätzlich vereinbart werden. Ein typisches Beispiel für eine solche zusätzliche Aufgabe ist die eigenständige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung.

Die DGUV Vorschrift 2 teilt die Einsatzzeiten für die Betreuung der Betriebe durch Betriebsärzte und Fachkräfte in die Kategorien Grundbetreuung und Betriebsspezifische Betreuung auf. Für die Grundbetreuung wurden Zeiten durch die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) festgelegt, der Umfang der Betriebs- spezifischen Betreuung ist von den Betrieben in eigener Verantwortung zu ermitteln. Ebenfalls neu ist, dass die Einsatzzeiten (Grundbetreuung) nicht mehr getrennt für Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit festgelegt werden. Unter Beachtung eines Mindestanteils von 20 Prozent für jede der beiden Funktionen muss diese Aufteilung betrieblich erfolgen und ist da- mit mitbestimmungspflichtig.

Achtung: Was oft übersehen wird: Die Zeiten für arbeitsmedizinische Untersuchungen sind nicht in der Grundbetreuung enthalten, sondern gehören zur Betriebsspezifischen Betreuung. Lediglich die kollektive arbeitsmedizinische Beratung (z. B. im Rahmen von Unterweisungen) gehört zur Grundbetreuung.

Achtung: Bei der Berechnung der Einsatzzeiten für die Grundbetreuung wird von Seiten der Unfallversicherungsträger sehr unterschiedlich vorgegangen. Einige Träger empfehlen den Einsatzzeitenschlüssel nach der Anzahl der Beschäftigten im Betrieb zu berechnen. Andere Träger lassen eine Unterscheidung zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten zu. Sie stützen die Berechnung dann in aller Regel auf § 6 Arbeitsschutzgesetz (»Dokumentation«), in dem festlegt ist, dass die An- zahl von Teilzeitbeschäftigten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 zu multiplizieren ist und diejenige der Beschäftigten mit 20 bis 30 Wochenstunden mit 0,75.

Diese Vorgehensweise ist strittig. Aus der DGUV Vorschrift 2 lässt sich ein solches Vorgehen nicht ableiten. Ein Gutachten im Auftrag des VDSI kommt ebenfalls zu der Auffassung, bei der Berechnung nur »ganze Köpfe« zu zählen. Allerdings gibt es zurzeit keine rechtlich verbindliche Regelung. Da die entsprechende Passage im Anhang 1 der Vorschrift 2 nicht rechtsverbindlich ist und dementsprechend der Mitbestimmung unterliegt, kann eine solche anteilige Berechnung allenfalls mit Zustimmung der Interessenvertretung erfolgen – wo- von allerdings abzuraten ist.

Mitbestimmung
Die Mitbestimmung von Betriebsräten regelt sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Nach § 87 (1) Nr. 7 greift die Mitbestimmung immer dann, wenn lediglich Rahmenvorschriften vorliegen. Mitbestimmung bedeutet, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in Verhandlungen eine gemeinsame Entscheidung treffen. Kommt eine solche Entscheidung nicht zustande, kann jede Seite die Einsetzung einer Einigungsstelle verlangen.

Bei den Personalräten und Mitarbeitervertretungen ergibt sich die Mitbestimmung aus § 75 Abs. 3 Ziffer 11 Bundespersonalvertretungsgesetz (bzw. aus entsprechenden Mitbestimmungs- und Personalvertretungsgesetzen der Länder bzw. der Kirchen). Danach hat der Personalrat bei Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen sowie von sonstigen Gesundheitsschädigungen mitzubestimmen. Die Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 gilt in diesem Sinne als eine organisatorische Maßnahme und unterliegt als solche vollständig der Mitbestimmung der Personalräte und Mitarbeitervertretungen.

Die Mitbestimmung besteht im Rahmen der Grundbetreuung

  • bei der Auswahl der Schwerpunktthemen,
  • bei der Aufteilung der Einsatzzeit zwischen Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit,
  • bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl, falls der Arbeitgeber Teilzeitkräfte nur anteilig berücksichtigen möchte und im Rahmen der betriebsspezifischen Betreuung
  • bei der Festlegung der Aufgabenfelder und
  • bei der Festlegung des zeitlichen Umfangs für die Erbringung der Leistungen durch Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Außerdem besteht ein Mitbestimmungs- recht bei Bestellung und Abberufung von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit, soweit es sich um Beschäftigte des Betriebes handelt.

Betriebliche Ausgestaltung der Grundbetreuung
Die DGUV Vorschrift 2 enthält umfang- reiche Vorschläge für die Ausgestaltung der Grundbetreuung. Darunter sind viele Standardthemen wie z. B.

  • Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung
  • Unterstützung bei Unterweisungen und Betriebsanweisungen
  • Überprüfung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen
  • Begehung der Arbeitsplätze
  • Untersuchung nach Unfällen.

Positiv ist herauszuheben, dass ganz ausdrücklich von einem eigeninitiativen Handeln des Betriebsarztes und der Fachkraft gesprochen wird. Damit haben sie die Aufgabe von sich aus tätig zu werden, auch wenn keine Mängel oder Beschwerden an sie herangetragen wurden.

Darüber hinaus finden sich Vorschläge, die speziell auf eine Verbesserung der Kommunikation der Akteure untereinander und auf die Entwicklung nachhaltiger Strukturen im Arbeitsschutz abzielen:

  • Berücksichtigung der Arbeitsschutzbelange in betrieblichen Prozessen (z. B. bei Investitions- und Planungsprozessen und bei Beschaffung von Arbeitsmitteln)
  • Teilnahme an Dienstgesprächen des Arbeitgebers mit seinen Führungskräften zum Thema Arbeitsschutz
  • Nutzung eines ständigen Kontaktes mit Führungskräften.

Mit diesen Vorschlägen werden die Aufgabenkataloge des Arbeitssicherheitsgesetzes zeitgemäß interpretiert, dass heißt weg vom traditionellen Reparaturansatz hin zu einem präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz. Für viele Betriebsärzte und Fachkräfte wird dies ein Umdenken bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten erfordern.

Betriebliche Ausgestaltung der Betriebsspezifischen Betreuung
Die Ermittlung des Bedarfs der betriebs- spezifischen Betreuung liegt weitgehend in der Hand der Betriebe. Einzig der Um- fang der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen richtet sich nach den Vorgaben der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).

Im Anhang 4 der DGUV Vorschrift 2 findet sich als Empfehlung ein Katalog mit 16 Aufgabenfeldern, die auf ihre Relevanz für den Betrieb abzuprüfen sind. Der Katalog ist in vier Hauptüberschriften mit Unterpunkten und den dazugehörigen Einzelaufgaben gegliedert. Bei der Beschäftigung mit diesem Katalog wird schnell klar, wie wichtig das Wissen um die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplatzverhältnisse ist sowie um die Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben wie z.B. der Gefährdungsbeurteilung und dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement. In kleineren Betrieben mit nur wenigen spezifischen Tätigkeiten ist ein solches Wissen vergleichsweise einfach zu erlangen. In größeren Betrieben mit vielen Bereichen tauchen hingegen schnell Fragen nach den konkreten Tätigkeiten auf. Bei Unklarheiten kann es daher sinnvoll sein, die fraglichen Arbeitsplätze vorher zu begehen oder erforderliche Dokumente einzusehen. Dazu gehören auch, falls vorhanden, Statistiken über das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen im Betrieb und – natürlich – die Unterlagen über die umfassend durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen.

Bei der Prüfung der Relevanz der Aufgabenfelder wird mit den Begriffen Auslöse- und Aufwandskriterien gearbeitet. Sobald auch nur eine Einzelaufgabe eines Aufgabenfeldes als wichtig für die betriebsspezifische Betreuung erkannt wird, ist dies als Auslösekriterium für zusätzliche Betreuungszeit zu interpretieren. Unter dem Begriff Aufwandskriterien werden mögliche Leistungen, die sich aus den Einzelaufgaben ergeben, als Beispiele genannt. Für sie ist die erforderliche Betreuungszeit, getrennt nach Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt, im Rahmen der betrieblichen Ausgestaltung festzulegen.

Alle im Katalog genannten Aufgabenfelder können von Bedeutung sein. Hier
sollen einige Aufgaben herausgehoben werden, die bisher häufig nicht als zentrale Tätigkeiten von Betriebsarzt oder Fachkraft für Arbeitssicherheit angesehen wurden:

  • Aufklärung der Ursachen eines hohen Krankenstandes
  • Programme zur Bewältigung sowohl körperlicher Belastungen als auch psychischer Belastungen
  • Aufbau eines Gesundheitsmanagements
  • Aufbau eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
  • Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung
  • Alters- und alternsgerechte Gestaltung von Tätigkeiten und Arbeitsplätzen

Wie kann die betriebliche Interessenvertretung vorgehen?
Nicht selten kommt es vor, dass Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Arbeitgeber sich über die Vorgehensweise bei der Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 schnell einig sind, ein bisschen nach dem Motto: War doch eigentlich ganz gut, wie wir es bisher gemacht haben. Und spätestens dann stellt sich die Frage, ob die Interessenvertretung auf ihre Mitbestimmungs- rechte in einem so zentralen Thema der Arbeitsschutzorganisation verzichten will.

Im Folgenden sind Vorschläge für die Vorgehensweise von Interessenvertretungen bei der Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 skizziert.

Bestandsaufnahme
Bevor die Interessenvertretung mit dem Arbeitgeber über die Umsetzung der Vorschrift in Verhandlungen tritt, ist es wichtig, zunächst einen Überblick über die bisherige Praxis der betriebs- ärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung zu erlangen. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Wie viel Betreuungszeit stand bis- her zur Verfügung?
  • Welche Aufgabenbereiche wurden vom Betriebsarzt bearbeitet?
  • Welche Aufgabenbereiche wurden von der Fachkraft für Arbeitssicherheit bearbeitet?
  • Wie konkret ist der Wissenstand der Interessenvertretung über die Arbeitsplatzverhältnisse, gibt es Bereiche mit »blinden« Flecken?
  • Wie ist der Wissensstand der Interessenvertretung über die Zusammenarbeit der Fachkräfte und Betriebsärzte untereinander und mit den Führungsstrukturen im Betrieb?
  • Existiert eine Gefährdungsbeurteilung oder wie ist der Stand ihrer Umsetzung?
  • Wie hoch ist der Krankenstand – auch im Vergleich zur gesamten Branche?
  • Existiert ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), wie ist der Stand seiner Umsetzung?
  • Existiert ein Gesundheitsmanagement?

Zur Beantwortung der ersten drei Fragen benötigt man

  1. bei externen Fachkräften und Betriebsärzten den Vertrag, beziehungsweise die Bestellungsurkunde, falls es sich um Arbeitnehmer des Betriebes handelt,
  2. die schriftlichen Tätigkeitsberichte der Fachkraft und des Betriebsarztes, zu denen sie laut Unfallverhütungsvorschrift verpflichtet sind.

Aus dem Tätigkeitsbericht muss zu ersehen sein, wie viel Zeit anteilig für die verschiedenen Aufgaben aufgewendet wurde. Falls keine Tätigkeitsberichte existieren, ist es sinnvoll, sich von beiden Experten zumindest eine Aufstellung über das letzte Jahr geben zu las- sen.

Ziel dieser Vorarbeit ist es einzuschätzen, ob die bisherige Schwerpunktsetzung in der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung den tatsächlichen Problemen an den Arbeitsplätzen entspricht.

Tipp
Empfehlenswert für die Interessenvertretung ist es, zu Beginn des Umsetzungsprozesses einen innerbetrieblichen Workshop durchzuführen, in dem das notwendige Hintergrundwissen vermittelt wird.

Dabei ist zu entscheiden, ob dieser Workshop nur für die Interessenvertretung durchgeführt wird oder zur Phase der Wissensvermittlung auch Arbeitgebervertreter, die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt eingeladen werden.

Vorbereitung der Verhandlungen über die Grundbetreuung
Es ist sinnvoll, ausgehend von den Empfehlungen der DGUV Vorschrift 2 eine Prioritätenliste aufzustellen, aus der hervorgeht, welche Themen nach Ansicht der Interessenvertretung vom
Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit im Rahmen der Grundbetreuung bearbeitet werden sollen.

Die Empfehlung lautet: Zunächst den inhaltlichen Bedarf diskutieren und dann in einer zweiten Runde die zeitliche Aufteilung zwischen Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt klären.

Tipp
Die Erfahrung zeigt, dass im betrieblichen Arbeitsschutzalltag weniger miteinander kommuniziert wird, als es wünschenswert wäre. Klar, es gibt den Arbeitsschutzausschuss nach dem Arbeitssicherheitsgesetz, aber eine le- bendig geführte Kommunikation geht weit über solche formalen Treffen hinaus. Gerade das Thema Integration des Arbeitsschutzes in die Führungsstrukturen eines Betriebes verdient mehr Aufmerksamkeit. Die Einbindung von Betriebsärzten und Fachkräften in Dienstgespräche kann ein erster wich- tiger Schritt sein, um die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Experten zu fördern.

Vorbereitung der Verhandlungen über die Betriebsspezifische Betreuung
Hier geht es darum, sowohl Aufgabenfelder als auch den zeitlichen Umfang zu ermitteln. Man kann es drehen und wenden wie man will, man kommt nicht darum herum den kompletten Anhang 4 mit seinen 16 Aufgabenfeldern durchzuarbeiten. Das macht zwar einige Mühe, der Lohn besteht aber nicht nur darin eine gute Vorarbeit für die Verhandlungen zu haben, sondern quasi als Nebenprodukt eine Qualitätsprüfung der Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.

Wie bei der Grundbetreuung gilt auch hier die Empfehlung, zunächst die Aufgabenfelder und dann die Zeitverteilung zu ermitteln. Bei der Zeitermittlung ist weiterhin zu empfehlen, nicht den Einsatzschlüssel der Grundbetreuung zu verwenden, sondern den Zeitaufwand pro Leistung, im Sinne einer Leistungsvereinbarung, festzulegen. Zum Bei- spiel: wie viel Zeit würde ein Betriebsarzt benötigen, um Erkenntnisse zur Aufklärung eines hohen Krankenstandes aufzubereiten.

Achtung: Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Zeiten für Grundbetreuung und betriebsspezifische Betreuung nicht unterhalb der bisherigen Einsatzzeiten liegen.

Tipp
Es wurde schon angesprochen, dass im Anhang 4 neben den klassischen Aufgabenfeldern auch Themen aufgenommen wurden, deren Wahrnehmung für viele Betriebsärzte und Fachkräfte möglicherweise eine Neuerung darstellt. So eröffnet sich die Chance, Themen wie beispielsweise Gesundheitsförderung,
arbeitsbedingte Erkrankungen oder alters- und alternsgerechtes Arbeiten stärker als bisher in die Betreuung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu integrieren. Möglicherweise sollten auch andere Berufsgruppen einbezogen werden, wie z. B. Arbeitspsychologen. Dabei sollte aber auch berücksichtigt werden, dass nicht alle Themen auf einmal bearbeitet werden können. Es ist durchaus sinnvoll Prioritäten zu set- zen. Die zu treffenden Festlegungen sind ja nicht in »Stein gemeißelt«, sondern sollten regelmäßig, am besten jährlich, überprüft und aktualisiert werden.

Letztendlich geht es bei den Verhandlungen um die DGUV Vorschrift 2 darum, die bisherige Praxis der Betreuung auf den Prüfstand zu stellen und sie der betrieblichen Realität anzupassen.

Verhandlungen
Sinnvoll ist es, parallel zur Erarbeitung der Prioritätenlisten Gespräche mit der Fachkraft und dem Betriebsarzt zu suchen. Schließlich geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern darum, gemeinsam einen guten Weg zu finden. Überlegt werden muss, ob die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Interessenvertretung und Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden sollen. Als mindestes sollten die Ergebnisse schriftlich festgehalten wer- den. Wichtig ist auch, einen Rhythmus für Überprüfung und Aktualisierung der Arbeitspakete und des zeitlichen Umfangs der Betreuung zu vereinbaren.

Falls sich Arbeitgeber und Betriebsrat in den Verhandlungen nicht einigen können, bleibt nur der Weg über die Einigungsstelle.

Tipp
Die betriebliche Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 ist für alle betrieblichen Akteure Neuland. Daher kann es für die Interessenvertretung sinnvoll sein, sich von Anfang an durch externe Sachverständige beraten zu lassen. Dies kann über eine In-Haus-Schulung oder einen begleitenden Beratungsprozess geschehen.

Insgesamt bietet die DGUV Vorschrift 2 der betrieblichen Interessenvertretung also die große Chance, die bisherige Betreuungspraxis auf den Prüfstand zu stellen und sie über die Fragenkataloge neu auszurichten.