Praxistipp zum Thema: Betriebsärzt*in und arbeitsmedizinische Vorsorge– was Sie darüber wissen sollten

Was ist arbeitsmedizinische Vorsorge?

Es handelt sich hierbei ausschließlich um medizini- sche Beratung, gegebenenfalls im Zusammenhang mit freiwilligen Untersuchungen. Inhaltlich geht es bei der Beratung um die Belastung, die sich aus den Arbeitstätigkeiten ergibt. Rechtlich geregelt werden diese Vorsorgen in der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV).

Wer führt arbeitsmedizinische Vorsorgen durch?

In aller Regel führt die von der Arbeitgeber*in bestellte Betriebsärzt*in (Arbeitsmedizin) die Vorsorgen und ggf. Untersuchungen durch. Sie unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Das heißt, die Betriebsärzt*in darf ohne Schweigepflichtsentbindung nicht mit der Arbeitgeber*in über einzelne Arbeitnehmer*innen sprechen.

Das Prinzip der freien Ärzt*innenwahl ist bei der Wahl der Betriebsärzt*in eingeschränkt. Falls es gewichtige Argumente gegen eine bestimmte Be- triebsärzt*in gibt, können Sie dennoch versuchen mit der Arbeitgeber*in zu klären, ob es möglich ist, die arbeitsmedizinische Vorsorge bei einer anderen Arbeitsmediziner*in durchzuführen. Ein gewichtiges Argument wäre z. B. begründetes mangelndes Vertrauen in die Betriebsärzt*in. Die Betriebsärzt*in ist zwar Fachärzt*in zum Thema Arbeitsmedizin, aber oft keine Fachärzt*in für andere relevante Fachrichtungen wie Augen, Hals-Nasen-Ohren oder Orthopädie. Daher kann sie zur Abklärung möglicher Erkrankungen Überweisungen zu anderen Fachärzt*innen ausstellen.

Wichtig ist: Es darf keine Überprüfung von Diagnosen oder Arbeitsunfähigkeit durch die Betriebsärzt*in geben!

Unterschied Eignungsuntersuchung und arbeitsmedizinische Vorsorge

Eignungsuntersuchungen sind klar von der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu unterscheiden.

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist eine vertrauensvolle Beratung für Arbeitnehmer*innen. Die Gesundheit der Arbeitnehmer*in steht im Mittelpunkt. Die Arbeitgeber*in erhält keine Informationen über die Inhalte oder Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Auch bei der Pflichtvorsorge erhält die Arbeitgeber*in lediglich eine Bescheinigung, dass Sie die Vorsorge durchgeführt haben.

Die Eignungsuntersuchung ist dagegen eine arbeitsrechtliche Maßnahme. Hier geht es darum, ob eine Person eingestellt oder in einer bestimmten Tätigkeit weiterbeschäftigt werden kann. Die Arbeitgeber*in erhält die Information „geeignet“, „teilweise geeignet“oder„ungeeignet“. Diagnosen oder Begründungen erfährt die Arbeitgeber*in auch hier nicht.

Was ist das Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge?

Das vorrangige Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist es, arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhindern bzw. sie möglichst früh zu erkennen. Arbeitsmedizin soll die Gesundheit der einzelnen Beschäftigten erhalten sowie die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz im Betrieb verbessern. Die Betriebsärzt*in ist verpflichtet, die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge auszuwerten. Die Erkenntnisse nutzt sie, um der Arbeitgeber*in Vorschläge zur Änderung der Arbeitsplätze und der Arbeitsgestaltung zu machen. Auch hier hat sie darauf zu achten, der Arbeitgeber*in keine personenbezogenen Inhalte aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge preiszugeben. Erfährt die Arbeitgeber*in von arbeitsbedingten Erkrankungen, hat sie nach Arbeitsschutzgesetz die Verpflichtung, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Wenn einzelne Beschäftigte sich dazu entscheiden die Ergebnisse bzw. Empfehlungen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge an die Arbeitgeber*in weiterzugeben, muss diese tätig werden. Sie muss prüfen, ob der Betroffenen ein gesundheitsgerechterer Arbeitsplatz eingerichtet werden kann. Dies kann z.B. die Anschaffung neuer Arbeitsmittel oder Hilfsmittel umfassen, aber auch einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Arbeitstätigkeit.

Besonders bei längeren Erkrankungen empfehlen wir, dass Beschäftigte im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eine freiwillige Wunschvorsorge bei der Betriebsärzt*in wahrnehmen. Hier können in einem vertrauensvollen Umfeld Diagnosen und der Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit besprochen werden. Die Betriebsärzt*in kann bestimmte Maßnahmen empfehlen (z.B. Reha-Maßnahmen, technische Hilfsmittel, eine Anpassung der Arbeitszeiten).

Welche Arten von arbeitsmedizinischer Vorsorge gibt es?

Es gibt drei Kategorien von arbeitsmedizinischer Vorsorge:

  • Pflichtvorsorge,
  • Angebotsvorsorge und
  • Wunschvorsorge.

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) schreibt vor, bei welchen Tätigkeiten eine Pflichtvorsorge durchzuführen ist und bei welchen eine freiwillige arbeitsmedizinische Vorsorge aktiv angeboten werden muss (Angebotsvorsorge).

Im Folgenden erläutern wir einige Beispiele:

Pflichtvorsorge

Beschäftigte sind verpflichtet, die arbeitsmedizinische Vorsorge wahrzunehmen. Das heißt jedoch nur, dass Beschäftigte zum Vorsorgetermin bei der Betriebsärzt*in erscheinen und sich dort beraten lassen müssen. Auch bei der Pflichtvorsorge sind alle Untersuchungen freiwillig. Die Arbeitgeber*in erhält keine Information, ob Untersuchungen durchgeführt wurden. Sie erhält lediglich eine Kopie der Bescheinigung, wann die Arbeitnehmer*in beim Vorsorgetermin war. Diese Bescheinigung darf keine Diagnosen oder weiteren Informationen enthalten. Betriebsärzt*innen unterliegen hier der generellen ärztlichen Schweigepflicht. Beschäftigte können selbst entscheiden, ob bzw. welche Informationen sie an die Arbeitgeber*in weitergeben wollen.

Wir werden immer wieder gefragt, was passiert, wenn Beschäftigte die Teilnahme an der Pflichtvorsorge verweigern. Beschäftigte haben das Recht, die Pflichtvorsorge zu verweigern. Allerdings hat das zur Folge, dass die Arbeitgeber*in sie auf dem entsprechenden Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigten darf bzw. die Arbeitnehmer*in bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen darf. Wenn Pflichtvorsorge für eine bestimmte Tätigkeit vorgeschrieben ist, ist die Teilnahme an der Pflichtvorsorge Voraussetzung für die Beschäftigung am entsprechenden Arbeitsplatz.

Wichtig: Bei der Pflichtvorsorge geht es nicht um die Einschätzung der Tauglichkeit von Beschäftigten für eine bestimmte Tätigkeit. Es geht um eine vertrauliche Beratung für die Beschäftigten.

Pflichtvorsorge ist u. a. erforderlich bei:

  • Tätigkeiten mit mehr als vier Stunden Feuchtarbeit täglich. Feuchtarbeit gibt es z. B. bei Friseur*innen, in der Gastronomie, in Supermärkten mit Salatküche und im Reinigungsgewerbe, wenn Gummihandschuhe getragen werden müssen.
  • Tätigkeiten mit Lärm ab 85 dB(A).
  • Tätigkeiten bei extremer Hitze oder bei Kälte unter minus 25° Celsius.
  • Tätigkeiten mit Gefahrstoffen falls der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird. Oder wenn Hautkontakt bei Gefahrstoffen besteht, die besonders über die Haut aufgenommen werden. In der ArbMedVV werden über dreißig Einzelstoffe genannt, für die eine Pflichtvorsorge vorgeschrieben ist. Darunter finden sich z. B. Lösemittel, Hartholzstäube und Mehlstaub.

Für einige Tätigkeiten kann je nach Ausmaß der Belastung entweder eine Pflichtvorsorge oder eine Angebotsvorsorge vorgeschrieben sein.

Angebotsvorsorge

Die Arbeitgeber*in ist verpflichtet den Beschäftigten eine arbeitsmedizinische Vorsorge persönlich anzubieten. Die Beschäftigten entscheiden dann jedoch selbst, ob sie das Angebot annehmen möchten.

Eine Angebotsvorsorge muss u. a. bei folgenden Tätigkeiten angeboten werden:

  • Tätigkeiten mit Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden am Tag.
  • Tätigkeiten mit Lärm ab 80 dB(A).
  • Tätigkeiten mit Bildschirmarbeit.
  • Tätigkeiten in der Sonne ab einer Stunde pro Schicht.
  • Tätigkeiten mit Heben/ Tragen/ Ziehen/ Schieben von schweren Lasten

Wunschvorsorge

Das Arbeitsschutzgesetz regelt, dass Beschäftigte das Recht haben, die arbeitsmedizinische Vorsorge bei der Arbeitgeber*in auf Wunsch jederzeit einzufordern. Insbesondere wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Arbeitsplatz ihre Gesundheit schädigen kann. Im Rahmen der Wunschvorsorge gibt es die Möglichkeit, alle gesundheitlichen Beschwerden bei der Arbeit zu besprechen (z. B. Nacken-, Rücken- oder Kopfschmerzen, Augenprobleme, Überlastung).

Einige Tipps zum Schluss

Wenn Sie eine Einladung oder ein Angebot zu einer arbeitsmedizinischen Vorsorge erhalten, versuchen Sie zu verstehen, um welche Art von Vorsorge es sich handelt (Pflichtvorsorge oder Angebotsvor- sorge). Stellen Sie auch sicher, dass es sich nicht um eine Eignungsuntersuchung oder anderweitige Untersuchung handelt. Geht es wirklich um eine arbeitsmedizinische Vorsorge wie in diesem Praxis- tipp beschrieben? Oder geht es um etwas anderes? Sie müssen anderweitigen Untersuchungen nicht zustimmen (z.B. wenn die Arbeitgeber*in nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit den Wunsch hat, dass Sie sich untersuchen lassen).

Die Betriebsärzt*in, die die arbeitsmedizinische Vorsorge durchführt, ist verpflichtet Sie zuerst zu beraten. Während der Beratung können Sie alle Fragen stellen, die Sie zu psychischen oder körperlichen Beschwerden bei der Arbeit haben, wie z.B. ständige Müdigkeit, Kopf- oder Rückenschmerzen, Augenprobleme oder Burnout Symptome. Erst danach darf sie – mit Ihrem Einverständnis – mögliche Untersuchungen vornehmen. Stellen Sie solange Fragen, bis Sie alles verstanden haben, z. B. warum die Betriebsärzt*in eine bestimmte Untersuchung vorschlägt. Entschei- den Sie dann selbst, ob Sie sich untersuchen lassen wollen. Selbst bei arbeitsmedizinischen Vorsorgen die das Wort „Untersuchung“ im Namen tragen, sind Sie nicht verpflichtet, sich untersuchen zu lassen (z.B. die Angebotsvorsorge zur Untersuchung der Augen bei Bildschirmarbeit).

Fragen Sie außerdem nach, ob die Betriebsärzt*in Ihren konkreten Arbeitsplatz und die zugehörige Gefährdungsbeurteilung kennt. Falls nicht, schildern Sie ihr die Bedingungen am Arbeitsplatz und fragen Sie sie nach Verbesserungsvorschlägen.

Lassen Sie sich nicht ausschließlich mit kleinen persönlichen Übungen abwimmeln. Im Arbeitsschutz ist die gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeit immer vorrangig.

Daher sollten Sie unbedingt auch eigene Vorschläge zur Gestaltung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsbedingungen mit der Betriebsärzt*in besprechen. Sollte die Betriebsärzt*in nicht darauf eingehen, wenden Sie sich an Ihre Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung).

Weitere Informationen und Unterstützung erhalten Sie bei uns in der Beratungsstelle. Melden Sie sich gerne.

Stand: Dezember 2023