Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)– was ist das eigentlich?

Unternehmen sind verpflichtet, Arbeitsplätze von Langzeiterkrankten auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu verändern. Mit dieser In­formation wollen wir dazu beitragen, dass diese als »Betriebliches Eingliederungsmanagement« (BEM) bezeichnete gesetzliche Pflicht in mehr Be­trieben umgesetzt wird. Ein erster Schritt hierfür sind Informationen zu Zielen und Inhalten des BEM.

Viele Beschäftigte, denen ein BEM angeboten wird, stellen sich die Frage: Wird das BEM tatsächlich im Sinne des Gesetzes angeboten, um den Arbeits­platz zu erhalten? Oder wird es dazu zweckentfrem­det, Druck auf erkrankte Beschäftigte auszuüben? Die Antwort darauf lässt sich in jedem Betrieb nur anhand der konkreten Umsetzung im laufenden BEM-Verfahren finden. Es ist hilfreich, wenn sich Beschäftigte über das BEM gut informieren und sich sorgfältig auf das Verfahren vorbereiten.

Wir möchten Beschäftigte ermutigen, das Angebot des BEM im Betrieb anzunehmen. Über die Interes­sensvertretung können sie Arbeitgeber* innen dazu auffordern, sie zum BEM-Gespräch einzuladen, wenn sie noch kein Einladungsschreiben erhalten haben. Das Eingliederungsmanagement ermöglicht es, die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer*innen richtig einzuschätzen und die Arbeitsbedingungen daran anzupassen. Stellt sich heraus, dass es sich eher um eine Art Krankenrückkehrgespräch handelt, können Beschäftigte ihre Zustimmung zur Teilnahme am BEM jederzeit zurücknehmen. Ein Krankenrückkehr­gespräch erfolgt auf Wunsch der Arbeitgeber*innen und ist – nach Genesung und Rückkehr an den Arbeitsplatz – für die Arbeitnehmer*innen ver­pflichtend. Im Gegensatz dazu ist die Teilnahme am BEM freiwillig.

Ein Krankenrückkehrgespräch ist ein Personalgespräch

Kehren Beschäftigte nach einer Krankheit an ihren Arbeitsplatz zurück, können Arbeit­geber*innen ein Krankenrückkehrgespräch führen, um herauszufinden, ob und wie sich die Erkrankung auf die künftige Arbeitsfähig­keit der Beschäftigten auswirkt. Im Gegensatz zum BEM sind Beschäftigte zur Teilnahme verpflichtet. Sie müssen aber keine Auskunft über die Art der Erkrankung geben.

Rechtlicher Hintergrund des BEM

Seit Mai 2004 sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen, wenn Beschäftigte innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsun­fähig sind (Sozialgesetzbuch IX § 167 Abs. 2). Dabei kann es sich um eine Erkrankung handeln, die länger als sechs Wochen andauert oder um mehrere kurze Arbeitsunfähigkeiten, die insgesamt sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten überschreiten.

Ziel des BEM ist es zu klären, mit welchen Leis­tungen oder Hilfen weiterer Arbeitsunfähigkeit vor­gebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Wer ist am Betrieblichen Eingliederungsmanage­ment beteiligt?

  • der/die Beschäftigte als BEM-berechtigte Person
  • der/die Arbeitgeber*in und/oder eine BEM- beauftragte Person, z. B. aus dem Personalbereich

Auf Wunsch können folgende Beteiligte hinzu­gezogen werden:

  • BEM-zuständige Mitglieder der betrieblichen Interessensvertretung, d.h. des Betriebs- oder Personalrats bzw. der Mitarbeitervertretung
  • die Schwerbehindertenvertretung, falls es sich bei den Betroffenen um Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung handelt
  • ggf. auch der/die für den Betrieb tätige Betriebsarzt/Betriebsärztin
  • ggf. eine Vertrauensperson

Die BEM-Berechtigten entscheiden, welche Per­sonen – neben der Arbeitgebervertretung – noch am BEM-Prozess teilnehmen sollen. Im Einladungs­schreiben kann dieses entsprechend angeben werden.

Vertrauensperson

Beschäftigte können eine Vertrauensperson ihrer Wahl zum BEM hinzuziehen. Wer als Ver­trauensperson am BEM-Verfahren teilnehmen soll, können sie selbst bestimmen. Dies kann eine Person aus dem Betrieb oder eine betriebs­fremde Person (z. B. ein Familienmitglied oder eine befreundete Person) sein. Die Entscheidung, ob und wer hinzugezogen wird, liegt allein bei den BEM-Berechtigten.

Wichtig

Die Beschäftigten müssen einer Teilnahme zustim­men, niemand kann zum BEM gezwungen werden. Die Verweigerung der Zustimmung wird in der Regel von den Arbeitgeber*innen dokumentiert, um im Streitfall nachweisen zu können, dass das Unter­nehmen BEM-Berechtigten ein Verfahren nach SGB IX § 167 Abs. 2 angeboten hat. Die Zustimmung zur Teilnahme am BEM kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.

Was wird im Rahmen eines Betrieb­lichen Eingliederungsmanagements geklärt?

Das BEM ist ein betriebliches Verfahren mit fol­genden Zielen:

  • Überwindung der Arbeitsunfähigkeit
  • Vorbeugung einer erneuten Arbeitsunfähigkeit
  • Vermeidung von Behinderungen und chronischen Erkrankungen
  • Erhalt und Sicherung des Arbeitsplatzes

Um diese Ziele zu erreichen, muss vor allem geprüft werden, welche Veränderungen am Arbeitsplatz und an den Arbeitsbedingungen möglich sind. Dies sollte im Kreis der BEM-Beteiligten gemeinsam sorgfältig überlegt werden.

Mögliche Maßnahmen hierbei sind:

  • Veränderungen des Arbeitsplatzes, z. B. durch technische Hilfsmittel,
  • Veränderungen der Arbeitszeit oder der Arbeitsabläufe,
  • Veränderung der bisherigen Tätigkeit oder der Arbeitsinhalte, z. B. durch Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz, oder
  • eine berufliche Weiterbildung.

Darüber hinaus sollte auch geklärt werden, ob eine – möglichst an den konkreten Arbeitsbedin­gungen orientierte – medizinische Rehabilitation (Kur) sinnvoll ist.

Zu dieser Frage sollten Betriebsärzt*innen hinzu­gezogen werden. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch Betriebs­ärzt*innen der allgemeinen ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.

Häufige Missverständnisse

Seit Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschrift halten sich vor allem zwei Missverständnisse sehr hartnäckig:

  • Wenn Arbeitgeber*innen kein BEM durchführen, ist eine krankheitsbedingte Kündigung von vornherein rechtlich unwirksam.

Grundsätzlich sind Beschäftigte nicht auto­matisch vor krankheitsbedingter Kündigung geschützt, wenn kein BEM angeboten wurde. Allerdings prüft das Arbeitsgericht, ob ein BEM-Verfahren angeboten und angemessen durchgeführt wurde und verpflichtet Arbeitge­ber*innen ggf. dies nachzuholen.

  • Verwechslung von BEM und stufenweiser Wiedereingliederung.

Bei der stufenweisen Wiedereingliederung (auch Hamburger Modell genannt) handelt es sich um die Möglichkeit, nach sehr langer Arbeitsunfähigkeit nicht sofort wieder mit der vollen vertraglich vereinbarten Stundenzahl zu arbeiten, sondern nach einem stundenweise aufstockenden, ärztlich verordneten Zeitplan. Dabei werden Arbeitszeit und Arbeitspensum über einen festgelegten Zeitraum schrittweise erhöht. Während der stufenweisen Wieder­eingliederung erhalten Beschäftigte weiterhin Krankengeld. Diese Maßnahme ist für Arbeit-geber*innen und Arbeitnehmer*innen freiwillig. Das bedeutet, dass beide Parteien der Maß­nahme zustimmen müssen. Ebenso wie das BEM-Verfahren sollte auch die stufenweise Wiedereingliederung sorgfältig geplant werden.

Betriebliches Eingliederungsmanage­ment – Wolf im Schafspelz?

Viele Beschäftigte stehen dem BEM skeptisch gegenüber. Zum Teil wird befürchtet, dass der Betrieb damit eine krankheitsbedingte Kündigung vorbereiten will. Richtig ist, dass es sich beim BEM um einen Such­prozess handelt, in dem gemeinsam mit den Betrof­fenen geeignete betriebliche Lösungen entwickelt und weitere Hilfen durch externe Institutionen organisiert werden sollen. Es gibt jedoch keine Garantie, dass dieser Prozess immer zu dem gewünschten Ergeb­nis führt. Sollte es nach einem durchgeführten BEM tatsächlich zu einer krankheitsbedingten Kündigung kommen, bedeutet das nicht, dass eine Klage vor dem Arbeitsgericht von vornherein aussichtslos ist. Das Arbeitsgericht wird in jedem Fall prüfen, ob das BEM-Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ob alle geeigneten Lösungen geprüft wurden.

Die besten Voraussetzungen für ein gelingendes BEM-Verfahren bestehen dann, wenn es im Betrieb eine Interessensvertretung (Betriebs-, Personalrat, Mitarbeitervertretung) gibt, die mit dem/der Arbeit­geber*in eine Vereinbarung über die Durchführung des BEM abgeschlossen hat. Ein durchdachtes Verfahren, bei dem Unterstützungsangebote im Vordergrund stehen, kann eine gute Hilfe zur Vermeidung erneuter Arbeitsunfähigkeit sein. Wenn auf dem Verfahren aber nur »BEM« draufsteht und es sich in Wirklichkeit um klassische »Krankenrückkehrgespräche« handelt, in denen vor allem Druck ausgeübt wird, ist Skepsis natürlich berechtigt. Ein solches Verfahren entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein BEM.

Welche Informationen zum eigenen Gesundheits­zustand müssen Beschäftigte mitteilen?

Für ein erfolgreiches betriebliches Eingliederungs­management muss der Betrieb wissen, um welche Art von gesundheitlichen Einschränkungen es sich handelt. Deshalb sind orientierende Angaben, z. B. zu Rückenproblemen, Gelenkbeschwerden oder Seh­problemen, wichtig. Aus diesen Angaben ergibt sich, welche Tätigkeitsprofile nicht mehr erfüllt werden können. Beispiele sind:

  • erhöhte Konzentrationsanforderungen in Großraumbüros
  • ständiges Stehen
  • Heben und Tragen
  • tiefes Bücken
  • Über-Kopf-Arbeiten
  • ständiges Sitzen
  • komplizierte Sehaufgaben

Aber:

  • Die Diagnose und der mögliche Verlauf der Erkrankung gehören nicht zu den erforderlichen Informationen. Wird im Gespräch gezielt danach gefragt, sollten BEM-Berechtigte deutlich machen, dass sie nicht verpflichtet sind, diese Informationen zu teilen.
  • Im Mittelpunkt des Verfahrens müssen die Fragen nach den zu verändernden Arbeitsbe­dingungen und den Veränderungen am Arbeits­platz stehen.

Gibt es im Betrieb einen Betriebs- oder Personal­rat bzw. eine Mitarbeitervertretung, können BEM-berechtigte Beschäftigte diese in das BEM-Verfahren miteinbeziehen. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn ein Vertrauensverhältnis zur betrieblichen Interes­sensvertretung bzw. zum betreffenden Gremiums­mitglied besteht. In der Regel gibt es im Gremium Personen mit einer sogenannten BEM-Zuständigkeit. Das bedeutet, dass sie auf Wunsch BEM-Verfahren begleiten und überwachen. BEM-Berechtigte können also darauf bestehen, dass ein BEM-zuständiges Mitglied der betrieblichen Interessenvertretung bei einem BEM-Gespräch anwesend ist. Wichtig ist, dass sich die Beteiligten vorab auf das BEM-Verfahren vorbereiten und die BEM-zuständige Person über die Arbeitssituation und mögliche Bedarfe zur Arbeits­platzgestaltung informiert ist und diese unterstützt.

Es ist grundsätzlich sinnvoll, wenn in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung festgelegt ist, dass bei BEM-Gesprächen stets ein Mitglied der betrieblichen Interessensvertretung anwesend sein muss.

Das schwierige Thema »Ärztliches Attest«

Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer*in­nen von ihren behandelnden Ärzt*innen ein Attest erhalten, aus dem hervorgeht, welche Einschrän­kungen für Betroffene am Arbeitsplatz bestehen. Leider ist den behandelnden Ärzt*innen nicht immer bewusst, welche Probleme ein solches Attest aus­lösen kann. Nicht selten reagieren Arbeitgeber*innen so, dass sie die Möglichkeit einer anderen Tätigkeit von vornherein ausschließen.

Auf keinen Fall darf in einem Attest die Diagnose genannt werden. Betroffene sollten behandelnde Ärzt*innen gegebenenfalls darauf hinweisen.

Wenn es im Betrieb einen Betriebs- oder Perso­nalrat bzw. eine Mitarbeitervertretung gibt, kann es hilfreich sein, diesen das Attest zu zeigen und die Problematik gemeinsam zu besprechen. Damit erhält der Betriebs- oder Personalrat bzw. die Mitarbeiter­vertretung die Möglichkeit, Gespräche zu unterstüt­zen, mit denen Veränderungen des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsbedingungen erreicht werden sollen.

Gibt es im Betrieb keine betriebliche Interessen­vertretung, ist es meist schwieriger eine Lösung zu finden. Je nachdem, inwieweit eine Vertrauensbe­ziehung zu den einzelnen Funktionen bzw. Personen besteht, kann man

  • sich einen betriebsärztlichen Termin geben lassen, um die Problematik zu besprechen oder
  • direkte Vorgesetzte auf die gesundheitlichen Probleme ansprechen.

Die Vorlage eines ärztlichen Attests bei Arbeit­geber*innen ohne vorheriges Gespräch kann je nach Betrieb ein Risiko für die Weiterbeschäftigung dar­stellen.

Unser Angebot

Die Anlaufstelle Perspektive Arbeit & Gesundheit (PAG) unterstützt alle Beschäftigten, die Anspruch auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) haben. In einem vertraulichen Gespräch helfen wir dabei, die persönliche und berufliche Situation besser einzuordnen und mögliche nächste Schritte zu finden. Gerne unterstützen wir auch alle weiteren Ansprechpersonen aus dem Betrieb bei Fragen rund um das BEM.