Barrierefreiheit für alleInklusion im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Dieses Infoblatt gibt einen Überblick darüber, was Inklusion im Arbeitsleben bedeutet und welche Bereiche des betrieblichen Alltags davon berührt werden. Die Begriffe »Inklusion« und »Barrierefreiheit« beziehen sich dabei nicht nur auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung, sondern werden weiter gefasst. Mitgemeint sind beispielsweise auch der Abbau von Sprachbarrieren sowie alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung. Die Rollen der verschiedenen betrieblichen Akteure werden aufgezeigt: von der Arbeitgeber*in, über die Schwerbehindertenvertretung hin zum Betriebs-/Personalrat bzw. der Mitarbeitervertretung. Welche Aufgaben und Pflichten haben sie jeweils beim Barriere-Abbau im Betrieb? Was sind die gesetzlichen Grundlagen? Und wo können sie externe Unterstützung bekommen?

Was heißt Inklusion und Barrierefreiheit?
Inklusion meint Einschluss und zielt darauf ab, allen Menschen gleichberechtigt und selbstbestimmt die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Ziel ist eine Gesellschaft, an der jeder Mensch – unabhängig von körperlichen Voraussetzungen, Geschlecht, Alter, Bildung, Herkunft oder Religionszugehörigkeit – teilhaben kann. Vorhandene Unterschiede zwischen Menschen werden als Bereicherung statt als Hindernis aufgefasst.

Aufgabe der Gesellschaft ist es hierbei, vorhandene Barrieren zu erkennen und abzubauen und so allen Menschen gleichermaßen die Teilhabe zu ermöglichen.
Die Bezeichnung Barriere bezieht sich dabei nicht nur auf die bauliche Umwelt, d. h. physisch vorhandene Barrieren, sondern auch auf Kommunikationsmittel und den Zugang zu Informationen. Die Bedürfnisse von älteren Menschen und denjenigen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gilt es ebenso zu berücksichtigen wie die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Nur 4 Prozent aller Behinderungen sind angeboren, 96 Prozent treten dagegen erst im Laufe des Lebens auf. Deshalb ist der Abbau von Barrieren auch keine »Minderheitenpolitik«, sondern betrifft uns alle!

Inklusion im Arbeitsleben
Da der Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe und Barrierefreiheit alle Lebensbereiche umfasst, ist auch das Arbeitsleben betroffen.

Laut gesetzlicher Grundlage sind die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch Menschen mit Einschränkungen des Sehens, Hörens, Bewegens und Verstehens dieselben Möglichkeiten haben einen Arbeitsplatz zu bekommen und die mit der Arbeit verbundenen Anforderungen zu bewältigen wie Menschen ohne diese Einschränkungen. Darüber hinaus soll das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) dabei helfen, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und dadurch Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Hieraus ergibt sich im Betrieb in erster Linie ein Handlungsbedarf für die Arbeitgeber*in, aber auch für Betriebs- und Personalräte sowie für die Schwerbehindertenvertretung. Ziel ist die Schaffung von barrierefreien sowie
alters- und alternsgerechten Arbeitsplätzen.

Arbeitsschutz als Arbeitgeber*innenpflicht: Gefährdungsbeurteilung mit Blick auf Barrierefreiheit
Laut Arbeitsschutzgesetz ist es die Pflicht der Arbeitgeber*in den Arbeitsschutz aller Beschäftigten zu gewährleisten. Als Instrument um Gefährdungen zu ermitteln und zu beseitigen bzw. zu vermindern, dient die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG). Im Rahmen dieser Gefährdungsbeurteilung empfiehlt es sich, die einzelnen Arbeitsplätze und Arbeitsstätten auch mit Bezug auf ihre Barrierefreiheit zu überprüfen.

Beschäftigt die Arbeitgeber*in bereits Menschen mit Behinderung, so ist sie sogar gesetzlich dazu verpflichtet, die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz zu berücksichtigen und die Arbeitsstätte barrierefrei einzurichten und zu betreiben (§ 3a Abs. 2 ArbStättV). Zu ihrer Unterstützung muss die Arbeitgeber*in eine*n Inklusionsbeauftragte*n bestellen, die nach Möglichkeit selbst eine Person mit Schwerbehinderung sein sollte (§ 98 SGB IX).

Thematisch geht es beim Thema Inklusion nicht nur um die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, Betriebsanlagen, Türen, Fluchtwegen und Toilettenräumen, sondern auch um das Bereitstellen von behinderungsgerechten Kommunikationsmitteln und Informationszugängen (z. B. für gehörlose oder blinde Menschen). Auch die Arbeitsorganisation und die Arbeitszeit sind erforderlichenfalls anzupassen.

Leitfragen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung mit Blick auf Barrierefreiheit könnten die folgenden sein:

  • Haben alle Beschäftigten ohne Hilfe Zugang zu den Räumen?
  • Können sich Beschäftigte ohne fremde Hilfe im Betrieb bewegen?
  • Sind an den Arbeitsplätzen alle erforderlichen Hilfsmittel vorhanden?
  • Sind Maschinen und Geräte von allen bedienbar?
  • Sind betriebliche Informationen für alle les- bzw. erfahrbar?
  • Sind in den Notfallplänen alle Mitarbeitenden mitbedacht?
  • Gibt es Bedarf die Arbeitsorganisation oder die Arbeitszeit anzupassen?
  • Ist es notwendig für einzelne Mitarbeitende eine weitergehende Unterstützung zu beantragen, z. B. eine Arbeitsbegleitung durch Assistenz?
  • Sind die betrieblichen Zuständigkeiten in Bezug auf Inklusion im Arbeits- und Gesundheitsschutz klar geregelt?

Werden beispielsweise Menschen im Rollstuhl beschäftigt, kann es notwendig werden, Rampen anzubringen, Türen und Gänge zu verbreitern, Selbstöffnungsme-chanismen an Türen und Notausgängen anzubringen, einen Aufzug zu haben und Toiletten rollstuhlgerecht auszubauen.

Barriere-Abbau am Beispiel von Unterweisungen
Im Folgenden werden einige Möglichkeiten zum Abbau von Barrieren am Beispiel von Unterweisungen erläutert.

Die Arbeitgeber*in ist gesetzlich dazu verpflichtet alle Beschäftigten regelmäßig
zu unterweisen. In den Unterweisungen geht es z. B. um das sichere Bedienen von Maschinen, die gesundheitsgerechte Benutzung von Arbeitsmitteln, Hinweise auf mögliche Gefahren oder das richtige Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung. Dabei hat die Arbeitgeber*in sicherzustellen, dass die Unterweisung von allen Mitarbeitenden verstanden wird.

Im betrieblichen Alltag werden jedoch viele Unterweisungen so durchgeführt, dass bei den Mitarbeitenden wenig ankommt und noch weniger hängen bleibt. Hier gilt es für alle Beschäftigten Barrieren abzubauen und darauf zu achten, dass keine Ausschlüsse entstehen (z. B. über Qualifizierungsgrad, Muttersprache, Auffassungsgabe).

Unterweisungen sollen so gestaltet werden, dass sie für alle Teilnehmenden verständlich sind. Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen unterschiedlich lernen.

Um möglichst alle Mitarbeitenden »mitzunehmen« und ihren Lerneffekt zu maximieren, ist es deshalb wichtig einige Prinzipien zu berücksichtigen:

  1. Mehrweg-Kommunikation:
    Für die Beschäftigten sollte es immer die Möglichkeit zur Interaktion und zum Austausch geben. Konkret heißt das, dass es einen Raum gibt um Fragen zu stellen, eigene Erfahrungen aus dem betrieblichen Alltag einzubringen und Hindernisse für gesundheitsgerechtes Verhalten zu schildern. Unterweisungen, die nur darin bestehen, den Mitarbeitenden schriftliche Unterlagen zukommen zu lassen, sind also nicht empfehlenswert. Auch E-Learning Komponenten sollten allenfalls ergänzend zur eigentlichen Unterweisung eingesetzt werden.
  2. Verschiedene Wege der Wissensvermittlung:
    Inhalte werden dann besser gelernt, wenn unterschiedliche Sinneskanäle angesprochen werden. Es empfiehlt sich also neben der Informationsvermittlung noch andere Wege der Wissensvermittlung zu wählen. So können z. B. Handlungsabläufe und Sicherheitsvorkehrungen von den Unterweisenden einmal vorgemacht und anschließend von den Teilnehmenden wiederholt werden. Grundsätzlich gilt bei der Gestaltung von Information das Zwei-Sinne-Prinzip, d.h. es müssen immer mindestens zwei der drei Sinne »Hören, Sehen und Tasten« angesprochen werden.
  3. Leichte Sprache:
    Sowohl für die schriftliche als auch für die mündliche Unterweisung sollte eine leichte Sprache gewählt werden. Leichte Sprache meint kurze, klare Sätze und die Vermeidung von Fremdwörtern. Bei schriftlichen Materialien sollte eine große Schrift gewählt und der Text mit vielen Absätzen dargestellt werden. Außerdem empfiehlt es sich, den Text durch Grafiken und Bilder zu ergänzen. Im Zweifelsfall sind besonders wichtige schriftliche Dokumente (z.B. Betriebsanweisungen) auch in der Muttersprache der einzelnen Beschäftigten bereitzustellen.

Welche Aufgaben hat die Schwerbehindertenvertretung?
In Betrieben in denen mindestens fünf schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen dauerhaft arbeiten, ist vorgesehen, dass von diesen eine Schwerbehindertenvertretung gewählt wird (§ 94 SGB IX). Sie besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied.

Ihre Hauptaufgabe ist es, die Interessen der schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer*innen im Betrieb zu vertreten und deren Eingliederung zu fördern.

Die Schwerbehindertenvertretung arbeitet eng mit dem Betriebs-/Personalrat bzw. der Mitarbeitervertretung sowie der Arbeitgeber*in bzw. der Inklusionsbeauftragte*n der Arbeitgeber*in zusammen. Sie hat das Recht an allen Sitzungen des Betriebs-/ Personalrats bzw. der Mitarbeitervertretung beratend teilzunehmen und Punkte auf die Tagesordnung zu setzen. Auch an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses kann sie teilnehmen. Außerdem hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, einmal im Jahr eine Versammlung aller schwerbehinderten Menschen im Betrieb durchzuführen.

Sie prüft ob die Arbeitgeber*in ihren Verpflichtungen nachkommt und muss von dieser auch in allen Angelegenheiten die einzelne oder die Gruppe der Beschäftigten mit Behinderung betreffen, unterrichtet und angehört werden. Es besteht ein Initiativrecht der Schwerbehindertenvertretung bei der Arbeitgeber*in darauf hinzuwirken, dass eine sogenannte Integrationsvereinbarung abgeschlossen wird (s. Kasten).

Zu den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung gehört es außerdem bei den zuständigen Stellen und Behörden Maßnahmen zu beantragen, die Beschäftigten mit Behinderung dienen. Dabei geht es insbesondere um präventive Maßnahmen und Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung.

Darüber hinaus dient die Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung als Ansprechperson für alle Beschäftigten mit Behinderung. Sie nimmt von ihnen Anregungen und Beschwerden entgegen und unterstützt ggf. bei der Beantragung der offiziellen Feststellung einer Behinderung bei den zuständigen Behörden.

Welche Rolle hat der Betriebs- /Personalrat bzw. die Mitarbeitervertretung beim Thema Inklusion?
Neben der Beteiligung am betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz gehört es auch zu den Aufgaben des Betriebs-/ Personalrats bzw. der Mitarbeitervertretung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen und die Selbständigkeit der Beschäftigten zu fördern. Damit hat er die Aufgabe, das Thema Inklusion anzupacken, Barrieren abzubauen und Ausgrenzung zu verhindern.

Die Themen Inklusion und Arbeits- und Gesundheitsschutz hängen dabei eng zusammen, da betriebliche Aktivitäten für barrierefreie Arbeitsplätze auch einen
guten präventiven Gesundheitsschutz im Betrieb darstellen. Betriebs-/Personalräte/Mitarbeitervertretungen können beispielsweise darauf hinwirken, dass die Arbeitsplätze im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auch auf ihre Barrierefreiheit und alter(n)sgerechte Gestaltung geprüft werden.

Der Betriebs-/Personalrat oder die Mitarbeitervertretung hat außerdem auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken, falls dies erforderlich ist. Gibt es eine Schwerbehindertenvertretung, ist diese an Sitzungen zu beteiligen, insbesondere wenn es um die Belange von Beschäftigten mit Behinderung geht.

Zusammen mit der Schwerbehindertenvertretung ist der Betriebs-/Personalrat bzw. die Mitarbeitervertretung an der Erarbeitung der Integrationsvereinbarung beteiligt.

Wo gibt es Unterstützung von außen?
Oft ist es für Arbeitgeber*innen, Schwerbehindertenvertretungen, Betriebs-/Personalräte bzw. Mitarbeitervertretungen und auch Beschäftigte mit Behinderung hilfreich, externe Unterstützung zu bekommen.

Primäre Ansprechpartner sind hierbei die Integrationsämter. Deren Aufgabe ist es, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu sichern. Sie beraten schwerbehinderte Menschen, Interessenvertretungen und Arbeitgeber*innen zum Thema Schwerbehinderung im Arbeitsleben. Sowohl Menschen mit Schwerbehinderung als auch Arbeitgeber*innen können finanzielle Hilfen beantragen, z. B. zur behindertengerechten Einrichtung vorhandener Arbeitsplätze oder zur Bereitstellung einer Arbeitsassistenz. Auch beim Abschluss von Integrationsvereinbarungen kann das Integrationsamt einbezogen werden.

Im Einzelfall kann das Integrationsamt auch externe Integrationsfachdienste mit der Beratung und Unterstützung beauftragen. Diese beraten je nach inhaltlicher Ausrichtung verschiedene Zielgruppen zum Thema Inklusion im Arbeitsleben.

Zur Vermittlung geeigneter Bewerber*- innen mit Behinderung zur Besetzung freier Stellen dient die Agentur für Arbeit sowie das Jobcenter als Kooperationspartner*in.

Wie kann Ihnen unsere Beratungsstelle weiterhelfen?
Auch die Beratungsstelle Arbeit & Gesundheit kann Ihnen bei Fragen der betrieblichen Inklusion und dem betrieblichen Eingliederungsmanagement weiterhelfen und Kontakte vermitteln.

Stand: Dezember 2016

Rechtsgrundlagen Inklusion im Betrieb

Arbeitgeber*innen:

  • UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Art. 27)
  • Sozialgesetzbuch IX (§§ 71, 72, 81–83, 98 und 99 SGB IX)
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (§§ 7, 11, 12, 17 AGG)
  • Arbeitsschutzgesetz (§§ 3, 4, 5 und 12 ArbSchG)
  • Arbeitsstättenverordnung (§ 3a Abs. 2 ArbStättV)
  • Technische Regel für Arbeitsstätten »Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten« (ASR V3a.2)

Schwerbehindertenvertretungen:

  • Sozialgesetzbuch IX (§§ 94–97, 99 SGB IX)

Betriebs-/ Personalräte und Mitarbeitervertretungen:

  • Sozialgesetzbuch IX (§§ 93 und 99 SGB IX)
  • Betriebsverfassungsgesetz (§§ 75 und 87 BetrVG)
  • Bundespersonalvertretungsgesetz (§§ 67 und 75 BPersVG)
  • Mitarbeitervertretungsgesetz (§§ 50–53 MVG)

Die Integrationsvereinbarung
Die Integrationsvereinbarung wird zwischen Arbeitgeber*in und Schwerbehindertenvertretung sowie dem Betriebs-/Personalrat bzw. der Mitarbeitervertretung abgeschlossen. Die Inklusionsbeauftragte der Arbeitgeber*in soll ebenfalls an der Erarbeitung der Integrationsvereinbarung beteiligt werden.
Ist eine Vereinbarung zustande gekommen, wird sie der zuständigen Agentur für Arbeit und dem zuständigen Integrationsamt übermittelt.
Gesetzliche Grundlage für die Integrationsvereinbarung ist der § 83 SGB IX.
Inhaltlich sollen in einer Integrationsvereinbarung konkrete Zielvereinbarungen zur betrieblichen Inklusion von Menschen
mit Behinderung getroffen werden. Diese müssen auf die individuellen Gegebenheiten des Betriebes zugeschnitten sein.
Themen für solche Zielvereinbarungen können sein:

  • Die konkrete Verfahrensweise zur Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung bei der Besetzung von freien Stellen
  • Die Umsetzung der behindertengerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsumgebung
  • Eine geeignete Arbeitsorganisation
  • Arbeitszeit, z. B. Regelungen zur Teilzeitarbeit
  • Die Umsetzung der betrieblichen Prävention
  • Regelungen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)

Institutionen in Hamburg