Leiharbeit und GesundheitsschutzGleichen Standard für alle Beschäftigten erreichen

Dieses Informationsblatt richtet sich an Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitvertretungen in Betrieben, in denen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Denn: Sie sind zuständig für alle Fragen, die im Zusammenhang mit der Eingliederung von Leiharbeitnehmern im Entleihbetrieb stehen und damit auch für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Worum geht es?
Im Mittelpunkt dieses Faltblattes stehen Anregungen für die Interessenvertretungen in Entleihbetrieben, wie sie mit ihrem Engagement Einfluss auf die Verbesserung des Gesundheitsschutzes für Leiharbeitnehmer nehmen können. Dass dies dringend notwendig ist, zeigen die bekannten Defizite bei

  • der Einarbeitung und Integration in betriebliche Abläufe,
  • der Ausrüstung mit persönlicher Schutzausrüstung und
  • der Unterweisung.

Eine Konsequenz der strukturellen Defizite ist, dass Leiharbeitnehmer häufig nicht wissen, an wen sie sich in Fragen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes im Entleihbetrieb wenden können.

Was wollen wir erreichen?
Nehmen sich Interessenvertretungen des Themas Gesundheitsschutz im Betrieb unter dem Motto »gleicher Standard für alle Beschäftigten« an, so ist dies ein wichtiger Beitrag, um die Bemühungen um generelle Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer im Betrieb voranzubringen.

Leiharbeit: häufig schlechte Bezahlung verbunden mit erhöhten gesundheitlichen Risiken
Leiharbeit wird längst nicht mehr ausschließlich dafür eingesetzt, betriebliche Auftragsspitzen abzufangen. Immer öfter geht es den Einsatzbetrieben darum, die Lohnkosten massiv zu drücken und tarifliche Regelungen zu unterlaufen. In der Regel verdienen Leiharbeitnehmer bis zu einem Drittel weniger als die Stammkräfte. Ein Ergebnis hiervon ist, dass viele Betroffene von dieser Arbeit allein nicht leben können. Außerdem führen sowohl
die Einsatzformen von Leiharbeit als auch ihr grundsätzlicher Charakter zu vermehrten gesundheitlichen Belastungen. Leiharbeitnehmer erleiden mehr Unfälle als Stammbeschäftigte und sind besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt:

  • Ständiger Wechsel des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeiten
  • Ständige Anpassung an neue Bedingungen, Arbeitsformen und unbekannte Strukturen
  • Soziale Unsicherheit als Dauerzustand
  • Ständige Selbstüberforderung durch die vage Hoffnung auf eine Festanstellung
  • Diskrepanz zwischen Qualifikation und der zugewiesenen Tätigkeit
  • Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
  • Belastende Leistungs- und Zeitvorgaben
  • Vielfach einfache und körperlich belastende Tätigkeiten

Gleicher Standard im Gesundheitsschutz für alle Kollegen im Betrieb – häufig nicht die Praxis
Der Arbeitgeber des Entleihbetriebes trägt für alle Beschäftigten die Verantwortung im Arbeitsschutz, auch für die Leiharbeitnehmer. Alle mit der Leiharbeit im Zusammenhang stehenden Rechts- fragen sind im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. In § 11 Abs. 6 wird bestimmt, dass die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer den gelten- den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts unterliegt, also dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) mit den dazugehörigen Verordnungen sowie dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Die einzige Konkretisierung zum Gesundheitsschutz im AÜG bezieht sich auf die Pflicht zur Unterweisung. Für alle Tätigkeiten im Einsatzbetrieb liegt diese beim Entleiher. Davon unabhängig gelten alle Pflichten des Arbeitsschutzgesetzes sowohl für den Arbeitgeber des Verleihbetriebes als auch für den Arbeitgeber des Entleihbetriebes. Das Gesetz macht in seinen Regelungen bis auf den § 8 ArbSchG, in dem die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber geregelt wird, keinen Unterschied zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern. Beide Arbeitgeber trifft die Pflicht, sich über mögliche Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten miteinander abzustimmen. Beide müssen sicherstellen, dass die Beschäftigten vor und während ihrer Tätigkeit angemessen unterwiesen werden. Um die Überschneidung der Pflichten von Verleiher und Entleiher zu regeln, kann auf einen Leitfaden, die Berufsgenossenschaftliche Information (BGI 5021) »Zeitarbeit
nutzen«, zurück gegriffen werden. Dort wird empfohlen, bei Vertragsabschluss ebenfalls eine Arbeitsschutzvereinbarung abzuschließen. In ihr werden Arbeitsschutzpflichten von Verleiher und Entleiher geregelt, wie z. B. Durchführen von arbeitsmedizinischen Untersuchungen, die Bereitstellung erforderlicher Persönlicher Schutzausrüstung und die Durchführung von Unterweisungen. Die Arbeitsschutzvereinbarung ist eine wichtige Voraussetzung, damit die Integration der Leiharbeitnehmer in die Arbeitsschutzorganisation des Entleihbetriebes gelingt.

Betriebliche Interessenvertretung: »Problem erkannt, Problem gebannt«
Betriebliche Interessenvertretungen haben im Gesundheitsschutz sowohl einen Kontrollauftrag gegenüber dem Arbeitgeber als auch ein weitgehendes Gestaltungsrecht im Rahmen der Mitbestimmung. Der Kontrollauftrag verpflichtet sie dazu, zu überprüfen, ob der Arbeitgeber alle zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Rechte, hier insbesondere die Rechte der Leiharbeitnehmer, einhält. Durch die konsequente Wahrnehmung ihrer Mitbestimmungsrechte können Interessenvertretungen die Qualität des Arbeitsschutzes maßgeblich mitgestalten.

Um erfolgreich auf dem Gebiet der Leiharbeit tätig zu werden, ist es wichtig, systematisch vorzugehen. Folgende Empfehlungen sollen dabei helfen:

  • Informationen zur Leiharbeit beschaffen
  • Interne Arbeitsstrukturen schaffen und Leiharbeitnehmer aktiv ansprechen
  • Die Gefährdungsbeurteilung für Leiharbeitnehmer durchführen
  • Die Ausstattung mit Persönlicher Schutzausrüstung im Blick behalten
  • Auf die Unterweisung für Leiharbeitnehmer achten
  • Den Arbeitsschutzausschuss (ASA) nach Arbeitssicherheitsgesetz als eine Plattform für die Leiharbeit nutzen

Informationen zur Leiharbeit beschaffen
Das Ziel, die Integration der Leiharbeitnehmer in die Arbeitsschutzorganisation, lässt sich nur umsetzen, wenn vollständige Informationen über den Einsatz von Leiharbeit vorliegen. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist es, dass die Interessenvertretung vor jedem Einsatz von Leiharbeitnehmern beteiligt wird.

Informationen und Unterlagen über den Einsatz von Leiharbeit müssen vom Arbeitgeber ausgehändigt werden. Hierzu gehören vor allem:

  • ■■ Erlaubnisurkunde des Verleihers
  • Verleihvertrag zwischen Entleiher und Verleiher mit der Angabe, ob Leiharbeitnehmer nach einem Tarifvertrag bezahlt werden oder nicht
  • Die Arbeitsschutzvereinbarung nach § 8 Arbeitsschutzgesetz
  • Anzahl und Qualifikation der Leiharbeitnehmer
  • Einsatztermin und Einsatzdauer
  • Vorgesehener Arbeitsplatz bzw. Tätigkeit
  • Auswirkungen des Einsatzes von Leiharbeit auf die Stammbelegschaft

Eine sinnvolle Ergänzung zur systematischen Erfassung von Leiharbeit im Betrieb ist die gezielte Bewertung der Verleihfirmen. Mit Hilfe der in der BGI 5021 »Zeitarbeit nutzen« enthaltenen Checklisten kann der Betriebsrat im Vorfeld versuchen, eine mögliche Zusammenarbeit mit nicht-tarifgebundenen, unseriösen Verleihfirmen zu verhindern.

Interne Arbeitsstruktur schaffen und Leiharbeitnehmer aktiv ansprechen
Um das Ziel zu erreichen, Leiharbeitnehmer in die Arbeitsschutzorganisation zu integrieren, braucht es eine geeignete Arbeitsstruktur. Wichtig ist es,

  • Zeitressourcen einzuplanen
  • je nach Betriebsgröße einen »Kümmerer« beauftragen oder einen Ausschuss einrichten und
  • einen oder mehrere »sichtbare Ansprechpartner« für Leiharbeitnehmer bestimmen (das können auch Vertrauensleute sein).

Leiharbeitnehmer aktiv ansprechen, so kann es gehen:

  • Als »Neulinge« erhalten Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei Arbeitsbeginn von der Interessenvertretung ein Infoblatt oder eine Broschüre mit allen wesentlichen Betriebsinformationen und mit ihren Rechten
  • Es wird ihnen eine spezielle Sprechstunde angeboten
  • Die Interessenvertretung klärt die Leiharbeitnehmer über ihre Rechte, wie den Besuch von Sprechstunden und über ihre Beschwerderechte auf
  • Ausdrückliche Einladung zu Betriebs- und Abteilungsversammlungen
  • Die Arbeitsplätze der Leiharbeitnehmer werden im Rahmen von Betriebsbegehungen gezielt aufgesucht
  • Die Interessenvertretung setzt sich dafür ein, dass Leiharbeitnehmer am betrieblichen Vorschlagswesen – soweit vorhanden – teilnehmen können

Die Gefährdungsbeurteilung für Leiharbeitnehmer durchführen
Eine Gefährdungsbeurteilung beinhaltet, dass alle Belastungen am Arbeitsplatz – auch die psychischen Belastungen – daraufhin untersucht und bewertet werden, ob sie zu einer möglichen Beeinträchtigung der Gesundheit beitragen können. Die Qualität der Gefährdungsbeurteilung steht und fällt mit der Beteiligung von Beschäftigten. Es ist wichtig, die Beschäftigten auf allen Umsetzungsstufen der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen, also auch bei der Entwicklung von Lösungen und bei deren Umsetzung. Dies gilt auch für Leiharbeitnehmer.

Die Ausstattung mit Persönlicher Schutzausrüstung (PSA)
Beim Einsatz von Leiharbeitnehmern müssen sich Verleiher und Entleiher darüber verständigen, wer von Beiden die Persönliche Schutzausrüstung stellt. In der Regel stellen die Verleiher den Leiharbeitnehmern eine »normale« PSA zur Verfügung, deren Qualität aber oft nicht den höheren Standards des Entleihbetriebes entspricht. Die betriebliche Interessenvertretung muss dafür sorgen, dass die Qualität und das Niveau der Persönlichen Schutzausrüstung von Leiharbeitnehmern dem der Stammbeschäftigten angeglichen wird. Die PSA-Benutzungsverordnung bietet für betriebliche Interessenvertretungen ausreichend Handlungsmöglichkeiten Einfluss auf die Auswahl und Anwendung Persönlicher Schutzausrüstungen zu nehmen. Sie schreibt vor, dass Persönliche Schutzausrüstungen den Beschäftigten individuell passen müssen und dass bei der Auswahl die Erfordernisse der Beschäftigten einzubeziehen sind. Besonders wichtig ist es, darauf zu achten, dass die Belange der Beschäftigten nicht vernachlässigt werden. Handlungsmöglichkeiten reichen von der Kontrolle vor Ort, der Thematisierung im Arbeitsschutzausschuss (ASA) bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung.

Die Unterweisung für Leiharbeitnehmer
Die Inhalte einer Unterweisung ergeben sich zum einen aus dem aktuellen Gesetzes- und Regelwerk, zum anderen aus der arbeitsplatzbezogenen Gefährdungsbeurteilung. Mit der Unterweisung sollen den Beschäftigten nicht nur Kenntnisse und Verhaltensweisen vermittelt werden, sondern sie kann auch dazu genutzt werden, Beschäftigte in den Prozess der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Die Unterweisung muss regelmäßig wiederholt und an die Tätigkeit angepasst werden. Innerhalb der Unterweisung ist auch über die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zu unterrichten. Weitere Inhalte kommen bei der Erstunterweisung von Leiharbeitnehmern hinzu. Zu vermitteln sind dann zusätzlich Informationen wie Name und Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten, generelle Hinweise zu Ordnung und Sauberkeit sowie zum Verhalten im Brandfall oder bei Unfällen. Betriebliche Interessenvertretungen können im Rahmen ihrer Informationsrechte die Inhalte und die Art der Durchführung von Unterweisungen überprüfen. Die Betriebe verfügen über einen ziemlich großen Spielraum hinsichtlich Gestaltung und Umsetzung der Unterweisung in die Praxis. Rechtlich festgelegt ist nur, dass die Unterweisung durchzuführen ist, nicht jedoch, wer Unterweisungen durchführen sollte, welche Qualifikationen hierfür wichtig sind und welche Methoden angewendet werden können. Da dies so ist, hat die Interessenvertretung bei Unterweisungen eine sehr weitgefasste Mitbestimmung. Nirgends ist festgelegt, dass die in vielen Betrieben übliche Struktur von Unterweisungen – häufig in Form von Monologen des Unterweisenden – beibehalten werden muss.

Den Arbeitsschutzausschuss nutzen
Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) ist bzw. sollte das zentrale Gremium im Betrieb sein, das sich ausschließlich mit dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz befasst. Mit der Einrichtung dieses Gremiums nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) wird die Zusammenarbeit der im Betrieb mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz befassten Stellen organisiert und institutionalisiert. Für betriebliche Interessenvertretungen besteht großer Freiraum, das Thema »Leiharbeit« im Arbeitsschutzausschuss anzusprechen. Beispielhaft können folgende Themen von der betrieblichen Interessenvertretung zur Sprache gebracht, erörtert und überprüft werden:

  • Überprüfung der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung auf Berücksichtigung besonderer Belastungen von Leiharbeitnehmern
  • Überprüfung der Organisation der arbeitsmedizinischen Betreuung von Leiharbeitnehmern
  • Prüfung, ob Niveau und Qualität der Persönlichen Schutzausrüstung für alle Beschäftigten gleich sind
  • Gewährleistung der Unterweisung vor Arbeitsbeginn auch bei kurzen Einsätzen
  • Auswertung des Unfallgeschehens, differenziert nach Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern und Festlegung geeigneter Abhilfemaßnahmen
  • Die Konkretisierung der Aufgaben von Betriebsarzt und Fachkraft bei der Betreuung der Leiharbeitnehmer nach der DGUV Vorschrift 2, z. B. die Gestaltung eines Schwerpunktthemas »Gesunde Leiharbeit«

Der notwendige Spagat – Leiharbeit sowohl eindämmen als auch gestalten
Es ist klar, das Thema Gesundheitsschutz in der Leiharbeit zu thematisieren reicht allein nicht aus. Das Thema Leiharbeit muss unter dem Motto »Gleiche Behandlung – gleicher Lohn« im Betrieb diskutiert werden. Je mehr es gelingt »Leiharbeit« insgesamt im Betrieb öffentlich zu machen, Anforderungen zu formulieren und auf deren Umsetzung zu drängen, desto weniger reizvoll wird es für die Unternehmen sein, diese Form der Beschäftigung zu wählen. Es kann ein kleiner Schritt auf dem Weg sein, zu erreichen, dass mehr Leiharbeiter als bisher von den Einsatzbetrieben übernommen werden.

Rechtliche Grundlagen

  • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
  • PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV)

Hilfreiche Informationen

  • Mehr Hintergrundinformationen finden sich im Arbeitspapier 232 »Leiharbeit und Arbeitsschutz – eine Handlungshilfe für Interessenvertretungen in Entleiherbetrieben« unter www.boeckler.de/5137.htm?produkt=HBS- 004989&chunk=2&jahr=
  • BGI5021: Zeitarbeitnutzen – sicher, gesund und erfolgreich. Leitfaden für Unternehmen, die Beschäftigte flexibel einsetzen wollen. Die Broschüre ist unter www.vbg.de/zeitarbeit/ zu erhalten.