Praxistipp Lärm:Ist es an Ihrem Arbeitsplatz (zu) laut?

Lärm und Lärmprävention am Arbeitsplatz

An Arbeitsplätzen ist Lärm einer der wesentlichen Belastungsfaktoren. Mit Lärm ist Schall gemeint, der die Gesundheit negativ beeinträchtigen kann. Grundsätzlich gibt es die Unterscheidung zwischen gehörschädigenden Lärmwirkungen und nicht gehörschädigenden Lärmwirkungen. Auch nicht gehörschädigender Lärm kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
In diesem Praxistipp richten wir den Fokus auf Lärmprävention. Damit sind betriebliche Maßnahmen gemeint, die das Ziel haben, gesundheitsschädigenden Lärm zu verhindern. Zusätzlich bekommen Sie Hinweise dazu, welche Handlungsmöglichkeiten Sie in Ihrem Betrieb haben, wenn es um das Thema Lärm geht.

In welchen Branchen ist Lärm relevant?

Bei Lärm denken viele Menschen hauptsächlich an Arbeitsplätze in der Industrie oder auf dem Bau. Tatsächlich kann gehörschädigender Lärm aber auch an anderen Arbeitsplätzen Thema sein. So ist es z. B. auch in Kitas, Schulen, Schwimmbädern und Gaststätten mitunter sehr laut. Nicht gehörschädigender Lärm kann an nahezu allen Arbeitsplätzen vorkommen. Insbesondere im Bereich der Büroarbeit wird er immer mehr zum Thema. Dies hängt mit der zunehmenden Verbreitung von Mehrpersonenbüros und sogenannten „Open Office Konzepten“ zusammen. Je mehr Personen in einem Büro sitzen desto größer die Gefahr, dass es zu störendem Lärm durch Gespräche und Telefonate von Kolleg*innen kommt.

Was sind die gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm?

Lärm kann zu Gehörschäden führen. Beruflich verursachte Lärmschwerhörigkeit gehört zu den häufigsten Berufskrankheiten. Die Einschränkungen des Hörvermögens sind dabei nicht rückgängig zu machen. Es handelt sich um eine dauerhafte Schädigung.
Auch nicht gehörschädigender Lärm kann die Gesundheit negativ beeinflussen. Neben der Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz, sind vor allem die störenden Wirkungen von Lärm von Bedeutung. Lärm lenkt ab und beeinträchtigt die Konzentration. Im Zweifel führt dies nicht nur zu
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mehr Fehlern, sondern auch zu einer Erhöhung des Risikos für Arbeitsunfälle. Bei nicht gehörschädigendem Lärm ist auch die Arbeitsaufgabe wichtig. Geräusche stören vor allem dann, wenn wir uns konzentrieren müssen oder wenn wir uns mit anderen unterhalten wollen.

Grenzwerte

Schall wird in Dezibel gemessen. Ab 120 Dezibel beginnt der Schmerzbereich. Hier kann es bereits bei wenigen Sekunden Lärm zu bleibenden Gehörschäden kommen. Außerdem ist die Dauer des Lärms entscheidend dafür, wie schädigend der Lärm ist. Bei Schall über den Arbeitstag, dem sog. mittleren Schalldruckpegel, gilt Lärm ab 80 Dezibel als gehörschädigend. Die Arbeitgeber*in muss Ihnen für diese Arbeiten Gehörschutz zur Verfügung stellen. Ab einem mittleren Schalldruckpegel von 85 Dezibel sind die entsprechenden Arbeitsbereiche als sogenannte Lärmbereiche zu kennzeichnen. Hier sind Sie verpflichtet, den Gehörschutz auch zu tragen. Gehörschutz ist jedoch nur die letzte mögliche Maßnahme. Im Abschnitt zu Möglichkeiten zum Schutz vor Lärm erläutern wir, was Arbeitgeber*innen vorher tun müssen.

Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit

Eine Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit kann vorliegen bei längerer Einwirkung von mindestens 85 Dezibel pro Tag oder Spitzenschall von mindestens 135 Dezibel ohne Gehörschutz. Die Lärmschwerhörigkeit ist typischerweise eine Schwerhörigkeit des Innenohrs. Meistens ist zunächst die Wahrnehmung der höheren Töne beeinträchtigt. Später dann die Wahrnehmung der mittleren und eventuell auch der tieferen Töne. Ob eine Beeinträchtigung vorliegt testen HNO-Ärtz*innen oder Hörakustiker*innen. Für die Chance auf Anerkennung einer Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit sollten zwei Bedingungen erfüllt sein: Es besteht zum einen ein beidseitiger Gehörschaden mit einem Hörverlust von mindestens 40 Dezibel bei einer Frequenz von 3 kHz. Zum anderen ist dieser Hörschaden auf Lärm am Arbeitsplatz zurückzuführen. Ärzt*innen sind laut Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, bei jedem begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit eine Verdachtsanzeige zu erstatten.

Welche Möglichkeiten gibt es zum Schutz vor Lärm?

Grundsätzlich soll versucht werden Lärm an seiner Entstehungsquelle zu reduzieren. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt grundsätzlich das Vorgehen nach dem sogenannten S-T-O-P Prinzip. Als Rangfolge für Maßnahmen stehen die Buchstaben S-T-O-P für Substitution, Technik,
Organisation und Person. Arbeitgeber*innen sind verpflichtet zunächst zu prüfen, ob die Lärmquelle entfernt werden kann (Substitution). Bei der Umsetzung von Maßnahmen sind erst alle möglichen technischen Maßnahmen zur Lärmminderung umzusetzen (Technik). Erst danach darf auf organisatorische Maßnahmen zur Lärmreduktion zurückgegriffen werden (Organisation). Nur wenn nach Umsetzung der möglichen technischen und organisatorischen Maßnahmen noch ein Restrisiko an Lärm bleibt, sind Maßnahmen möglich, die an der Person ansetzen, wie z. B. Gehörschutz (Person).
Was genau zu tun ist, hat die Arbeitgeber*in im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Sofern es eine betriebliche Interessensvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) gibt, ist diese bei Maßnahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes in der Mitbestimmung. Das heißt, die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen umgesetzt werden, wird von der Arbeitgeber*in und der Interessensvertretung gemeinsam getroffen.

Beispiele für Maßnahmen bei einem Vorgehen nach dem S-T-O-P -Prinzip

Substitution (= Entfernen der Lärmquelle):
• Umzug in Büroräume ohne Straßenlärm
• Einzelbüros statt Open Office Büros
• Trennung von Maschinenräumen und Arbeitsplätzen
• Einsatz von Robotik an lärmenden Arbeitsplätzen

Technische Maßnahmen:
• Kapselung der Lärmquelle
• Schalldämmung
• Änderung der Raumakustik durch den Einsatz schallabsorbierender Materialien
• Verminderung der Schallausbreitung durch Schallschirme
• Einkauf lärmarmer Maschinen
• Einsatz lärmarmer Sägeblätter

Organisatorisch:
• Zeitliche Verlegung lärmintensiver Tätigkeiten, so dass weniger Beschäftigte dem Lärm ausgesetzt sind
• „Lärmpausen“ z. B. Abschaltung von Motoren von Fahrzeugen bei Anlieferungen oder bei längeren Standzeiten der Fahrzeuge
• Bei Büroarbeit in Open Office Konzepten: geringere Raumbelegung durch zeitversetztes Arbeiten oder die Möglichkeit zur mobilen Arbeit

Persönlich:
• Persönlicher Gehörschutz (auch für Personen mit Hörminderung, vgl. DGUV Gehörschützer-Kurzinformation für Personen mit Hörminderung
• Noise-Cancelling-Kopfhörer

Hinweis: Im Arbeitsalltag wird die Rangfolge der Maßnahmen nach dem S-T-O-P Prinzip oft ignoriert. Häufig wird als erstes zum persönlichen Gehörschutz gegriffen.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Wenn Sie Tätigkeiten in Arbeitsbereichen mit mehr als 80 Dezibel ausführen, muss Ihnen Ihre Arbeitgeber*in die Teilnahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge anbieten. Diese Art der Vorsorge nennt sich Angebotsvorsorge.
Sind Sie in Arbeitsbereichen mit 85 Dezibel oder mehr tätig, sind Sie dazu verpflichtet an der arbeitsmedizinischen Vorsorge teilzunehmen. Diese Art der Vorsorge nennt sich Pflichtvorsorge. Sollten Sie Probleme mit Umgebungslärm bei der Arbeit haben, können Sie bei der Arbeitgeber*in die Teilnahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge beantragen – eine sogenannte Wunschvorsorge. Wenn Sie mehr zur arbeitsmedizinischen Vorsorge erfahren wollen, lesen Sie unseren Praxistipp „Betriebsärzt*in und arbeitsmedizinische Vorsorge – was Sie darüber wissen sollten“.

Welche Möglichkeiten haben Sie selbst tätig zu werden?

Sollte bei Ihrer Tätigkeit Lärm ein Problem sein, haben Sie verschiedene Handlungsmöglichkeiten:
• Sprechen Sie mit der Arbeitgeber*in oder Ihrer Führungskraft zum Lärm an Ihrem Arbeitsplatz. Regen Sie an, gemeinsam mit der Sicherheitsfachkraft oder Berufsgenossenschaft dazu Lösungen zu finden.
• Sofern vorhanden, suchen Sie Kontakt zu Ihrer betrieblichen Interessensvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung). Schildern Sie das Problem und bitten Sie die Interessensvertretung tätig zu werden. Die Interessensvertretung ist bei allen Maßnahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes in der Mitbestimmung.
• Nehmen Sie die arbeitsmedizinische Vorsorge wahr und schildern Sie der Betriebsärzt*in das Problem. Überlegen Sie sich gemeinsam eine geeignete Strategie.
• Sie können selbst einfache Lärmmessungen vornehmen, z. B. über eine Handy-App. Für den Bürobereich hat das Frauenhofer-Institut für Bauphysik einen Büro-Akustik Check entwickelt: https://akustik-check.de/.

Rechtliche Grundlagen

• Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
• Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
• Technische Regel für Arbeitsstätten: ASR A3.7 Lärm
• Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV)
• Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung: TRLV Lärm
• Sozialgesetzbuch: § 193 Abs. 2 SGB VII, § 202 SGB VII