Bei Ihnen im Betrieb steht eine Umgestaltung der Büroräume an? Egal ob Neubau oder Umzüge – bei der Planung und Gestaltung von Büroräumen gibt es viel zu beachten. Wir wollen Ihnen mit diesem Infoblatt einen Überblick geben: Wie kann die Planung neuer Büroräume systematisch angepackt werden? Wer ist am Planungsprozess zu beteiligen? Welchen Stellenwert hat der Arbeits- und Gesundheitsschutz dabei? Wie können Gefährdungen bereits im Planungsprozess erkannt und vermieden werden?
Wir bekommen neue Büros
Viele kennen die Situation: Im Unternehmen steht ein Umzug oder eine Umstrukturierung an. Es wird neue Büroräume geben – doch wie sollen diese Räume genau aussehen? Häufig sind räumliche Vorgaben, wirtschaftliche Aspekte und ästhetische Überlegungen im Mittelpunkt des Planungs- und Gestaltungsprozesses. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz wird erst in einem zweiten Schritt mitbedacht. Nicht selten sind teure Nachsteuerungsmaßnahmen notwendig. Die neue Arbeitssituation ist für die Beschäftigten trotzdem nur suboptimal.
Das muss nicht sein! Oft sind bei einem sorgfältigen Planungsprozess entscheidende Verbesserungen gegenüber der bisherigen Arbeitsweise möglich. Voraussetzung ist, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz von Anfang an mitgedacht wird.
Planung von innen nach außen
Wird der Planungsprozess systematisch angegangen, sollte von innen nach außen geplant werden. Das heißt, die Planung beginnt beim einzelnen Arbeitsplatz (Arbeitsplatzkonzept). Darauf aufbauend folgt die Gestaltung der einzelnen Büro- räume (Raumfunktionskonzept). Erst im letzten Schritt wird das Gebäude bzw.
dessen Belegung betrachtet (Bürokonzept). Die Abbildung »Vorgehen bei der Büroraumplanung« zeigt dieses Vorgehen schematisch auf.
Planungsgrundlagen
Bestimmte Informationen müssen vorab vorhanden sein. Sie bilden die Grundlage des Planungsprozesses. Dabei geht es zum einen um die rechtlichen und arbeitswissenschaftlichen Vorgaben für die Raumgestaltung. Zum anderen geht es um die Beschäftigten, ihre Arbeitsaufgaben, die von ihnen benötigten Arbeits- mittel und die interne Organisation der Arbeit.
Eine Auswahl relevanter Informationen:
- Welche rechtlichen Vorgaben gibt es, die sich z. B. aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) ergeben?
- Haben wir ergonomische Standards im Haus, die rechtliche Vorgaben konkretisieren (z. B. höhenverstellbare Schreibtische)?
- Wie viele Beschäftigte haben wir? In welchen Bereichen sind diese tätig? Welchen Stellenanteil haben sie? Gibt es Beschäftigte mit besonderen Bedürfnissen (z. B. Personen mit Behinderung, schwangere Personen, stillende Personen)?
- Welche Arbeitsaufgaben haben die einzelnen Beschäftigten? Welche Arbeitsmittel benötigen sie zur Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben? Wer arbeitet mit wem zusammen? Welche Art der Zusammenarbeit besteht (z. B. Teamarbeit, Projektarbeit)? Welche Kommunikations- und Konzentrationserfordernisse ergeben sich hieraus für die einzelnen Beschäftigten? Welche Position in der Hierarchieebene haben die einzelnen Beschäftigten?
Arbeitsplatzkonzept
In einem ersten Schritt geht es darum, die einzelnen Arbeitsplätze zu planen. Im Fokus stehen dabei Funktionalität und Ergonomie. Aus den Planungsgrundlagen ergibt sich bereits, welche Arbeitsaufgaben die Stelleninhaber*in hat und welche Arbeitsmittel sie zur Ausführung der Arbeitsaufgabe benötigt. Hieraus lässt sich der Platzbedarf festlegen, z.B. die notwendige Größe der Arbeitsfläche und der Bedarf an Stauraum. Auch der Bedarf an Besprechungs- und Konferenzräumen kann aus den Planungsgrundlagen abgeleitet werden.
Empfehlenswert ist eine Standardisierung der Arbeitsplätze mit der Möglichkeit funktionsbezogener Ergänzungen. Konkret heißt das, dass Arbeitsplätze ähnlichen Typs, z.B. Empfang, Beratung, Sachbearbeitung, ähnlich geplant werden. Zumindest immer dann, wenn dies möglich ist.
Raumfunktionskonzept
Das Raumfunktionskonzept baut auf dem Arbeitsplatzkonzept auf. In erster Linie geht es um die Aufstellung der Arbeitsplätze zu- einander. Dabei spielen ergonomische Überlegungen eine wichtige Rolle. Hierzu zählen die klassischen ergonomischen Empfehlungen zur Aufstellung der Arbeitsplätze und zur Gestaltung der Arbeitsumgebung (z.B. die Ausrichtung der Arbeitsplätze parallel zur Fenster- front, der Einsatz von schallabsorbierenden Materialien). Aber auch interne Arbeitsabläufe und Kommunikationsnotwendigkeiten sind für die Planung wichtig. So kann es beispielsweise Sinn machen, organisatorische Einheiten auch räumlich einander zuzuordnen. Dabei müssen jedoch auch die Konzentrationserfordernisse der einzelnen Beschäftigten im Blick behalten werden. Gegenseitige Störungen (z. B. Telefonate, Durchgangsverkehr) sollten wo immer möglich vermieden werden!
Bürokonzept
Erst in einem letzten Planungsschritt erfolgt die Festlegung auf ein passendes Bürokonzept (z.B. Einzelbüros, Gruppenbüros, Großraumbüros, Open Space Büros, Desk-Sharing). Das Bürokonzept bestimmt zu einem großen Teil die zukünftige Arbeitsweise. Deshalb ist es wichtig, dass diese Entscheidung erst jetzt – auf Basis der vorangegangenen Analysen und Bedarfe – getroffen wird. Dabei sind die spezifischen Vor- und Nachteile der einzelnen Bürokonzepte zu berücksichtigen.
So eignen sich Einzelbüros am besten für konzentriertes und störungsfreies Arbeiten. Lange Zeit war man der Meinung, dass Open Space Konzepte und Großraumbüros die Kommunikation zwischen den Beschäftigten erleichtern. Eine neuere Harvard-Studie zeigt jedoch, dass die Kommunikation gegenüber Einzel- und Zweierbüros sogar gehemmt wird1. Auch sonst bedeuten Gruppenbüros häufig Stress und gegenseitig Störung für die einzelnen Beschäftigten.
Vorausschauende Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung ist eines der wichtigsten Instrumente des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Sie ist im Arbeitsschutzgesetz verankert und für Arbeitgeber*innen gesetzlich verpflichtend (§ 5 ArbSchG). Die Interessenvertretung ist dabei in der Mitbestimmung (§ 87 BetrVG). Im Rah- men der Gefährdungsbeurteilung werden in einem ersten Schritt die mit einer Tätigkeit verbundenen Risiken abgeschätzt. Dies um- fasst sowohl physische als auch psychische Risiken. In einem zweiten Schritt geht es um die Ableitung und Umsetzung geeigneter Maß- nahmen zur Beseitigung oder Minimierung dieser Risiken.
Vor Bezug neuer oder veränderter Arbeitsstätten sowie vor dem Einsatz neuer Arbeitsmittel ist zwingend eine vorausschauende Gefährdungsbeurteilung erforderlich. Diese Pflicht ergibt sich aus der Arbeitsstättenverordnung und der Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 ArbStättV, § 3 BetrSichV). Im Folgenden einige Überlegungen dazu, wie die vorausschauende Gefährdungsbeurteilung in den Prozess der systematischen Büroraumplanung integriert werden könnte (vgl. Kasten »Mögliches Vorgehen bei der vorausschauenden Gefährdungsbeurteilung«).
Bilden einer gemeinsamen Projektgruppe aus Arbeitgeber*in und Interessenvertretung
Idealerweise bildet sich zu Beginn des Prozesses eine Projektgruppe aus Arbeitgeber*in und Interessenvertretung. Die Projektgruppe steuert beides
- den Prozess der Büroraumplanung
- den Prozess der begleitenden vorausschauenden Gefährdungsbeurteilung.
Die Projektgruppe ist außerdem der Zusammenhang, in dem alle relevanten Entscheidungen getroffen werden. Bei Bedarf kann Beratung von Sachverständigen und Expert*innen eingeholt werden, z.B. von Architekt*innen, der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Betriebsärzt*in.
Bestandsaufnahme/Beurteilung der IST-Situation
Bevor es mit der eigentlichen Planung losgeht, ist es wichtig die aktuelle Arbeitssituation genauer zu beleuchten. Es geht darum, so früh wie möglich die physischen und psychischen Gefährdungen an den derzeitigen Arbeitsplätzen zu beurteilen und Maßnahmen für die neue Arbeitssituation festzulegen.
Leitfragen können sein:
- Was läuft gut? Was soll im neuen Konzept erhalten bleiben?
- Was waren in der Vergangenheit wirksame Maßnahmen? Sollen diese ins neue Konzept übernommen werden?
- Welche Maßnahmen wurden in der Vergangenheit ausprobiert und waren nicht wirksam? Wie vermeiden wir eine Wiederholung nicht wirksamer Maßnahmen?
- Für welche Gefährdungen wurden bisher keine geeigneten Maßnahmen gefunden? Wie können sie im neuen Konzept von An- fang an vermieden werden?
Soll-Konzept für das Veränderungsvorhaben definieren
Unter Berücksichtigung der Bestandsaufnahme wird ein Soll-Konzept für das Veränderungsvorhaben erstellt. Wie oben beschrieben erfolgt die Planung sinnvollerweise von innen nach außen:
- Arbeitsplatzkonzept
- Raumfunktionskonzept
- Bürokonzept
Der Planungsprozess ist dabei ein ständiger Rückkopplungsprozess. Das heißt, bereits getroffene Entscheidungen müssen überdacht werden können und Anpassungen auf den unteren Planungsebenen möglich bleiben.
Voraussichtliche Gefährdungen beurteilen
Die Beurteilung der voraussichtlichen Gefährdungen sollte nicht nur auf Basis von Dokumenten und schriftlichen Planungsgrundlagen erfolgen. Simulationen und Rollenspiele sind eine weitere gute Möglichkeit, um mögliche Gefährdungen aufzudecken und abzuschätzen. Unter Beteiligung der Beschäftigten können bestimmte Arbeitsszenarien aufgebaut und Situationen gemeinsam durchgespielt werden. Vor allem die Frage, welche Störungen in bestimmten Situationen von einzelnen Arbeitsplätzen ausgehen, ist so leichter zu beantworten. Relevante Situationen können z. B. Telefonate, Kundenkontakte und Besprechungen sein.
Maßnahmen ableiten und Soll-Konzept anpassen
Hier geht es darum, das Soll-Konzept so zu verändern und anzupassen, dass die identifizierten Gefährdungen vermieden oder zumindest minimiert werden.
Bei gegenseitigen Störungen der Beschäftigten untereinander sind mögliche Maßnahmen z. B.
- der zusätzliche Einsatz schallabsorbierender Materialen
- die Schaffung von mehr Ruhearbeitsplätzen
- eine Anpassung des Bürokonzepts
Wichtig ist, dass auf Basis der Gefährdungsbeurteilung auch grundlegende Entscheidungen nochmals in Frage gestellt werden können.
Regelmäßige Wiederholung zu definierten Meilensteinen
Die Schritte »Voraussichtliche Gefährdungen beurteilen« und »Soll-Konzept anpassen« müssen in der Regel mehrmals durchlaufen werden. Dabei ist es sinnvoll die Methoden zur Abschätzung der Gefährdungen jeweils zu steigern: von einfachen Simulationen und Rollenspielen über den Aufbau einzelner Arbeitsplätze bis hin zu Pilotprojekten. Dieses iterative Vorgehen kann sich auch finanziell auszahlen: unnötige Kosten und teure Nachsteuerungsmaßnamen werden vermieden.
Wie kann Ihnen unsere Beratungsstelle weiterhelfen?
Sowohl betriebliche Funktionsträger*innen als auch einzelne Beschäftigte können sich an uns wenden, wenn im Unternehmen die Planung neuer Büroräume ansteht. Als Beratungsstelle Arbeit & Gesundheit bieten wir eine orientierende Beratung und punktuelle Begleitung des Prozesses. Bei Bedarf vermitteln wir Kontakte.
Leseempfehlung
- Büroraumplanung – Hilfen für das systematische Planen und Gestalten von Büros (DGUV Information 215–441)
Stand: Juli 2020
Infoboxen im PDF
1. Vorgehen bei der Büroraumplanung (nach »Büroraumplanung DGUV Information 215–441«)
Planungsgrundlagen
Arbeitsaufgaben, Beschäftigte, Arbeitsmittel, räumliche Gegebenheiten, Arbeitsorganisation usw.
Arbeitsplatzkonzept
Funktionalität, Ergonomie
Raumfunktionskonzept
Zuordnung der Funktionsbereiche, Aufstellung der Arbeitsplätze, Arbeitsumgebung
Bürokonzept
Büroraumformen, Organisationsformen
2. Mögliches Vorgehen bei der vorausschauenden Gefährdungsbeurteilung:
- Bilden einer gemeinsamen Projektgruppe aus Arbeitgeber*in und Interessenvertretung
- Bestandsaufnahme/Beurteilung der IST-Situation
- Soll-Konzept für das Veränderungsvorhaben definieren
- Voraussichtliche Gefährdungen beurteilen
- Maßnahmen ableiten und Soll-Konzept anpassen
- Regelmäßige Wiederholung zu definierten Meilensteinen (z.B. Rollenspiele, Aufbau einzelner Arbeitsplätze, Pilotprojekt)